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Eskaliert der Krieg in der Ukraine völlig? Oberst Reisner antwortet

Eskaliert der Krieg in der Ukraine völlig? Oberst Reisner antwortet

Heftige Luftangriffe auf die Ukraine, schwere Kämpfe im Raum Kursk und im Donbass, Truppenaufmarsch in Belarus: Der Krieg in der Ukraine eskaliert weiter. Unser Experte Oberst Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie liefert Antworten auf die brennendsten Fragen.


1. Seit der Nacht greift die russische Armee die Ukraine verstärkt aus der Luft an. Mehrere Städte und Regionen melden Angriffe. Ist das die verspätete Antwort auf Kursk?

Russland setzt mitleidlos seine strategische Luftkampagne gegen die kritische Infrastruktur der Ukraine fort. Alle zwei bis drei Wochen führt ein massiver russischer Luftangriff zu weiteren Zerstörungen. Von den für die Ukraine notwendigen 18 Gigawatt Stromversorgung stehen bereits jetzt nur noch neun Gigawatt zur Verfügung. Hinzu kommen die massiven Schäden des heutigen Angriffs, der zudem eine Antwort der Russen auf die Blamage der ukrainischen Kursk-Offensive darstellt. Heute wurde auch ein wichtiger Staudamm nördlich von Kiew bombardiert. Würde er brechen, droht der Hauptstadt Kiew eine Flutkatastrophe.

Wir dürfen uns hier nicht von Ereignissen wie der Kursk-Offensive täuschen lassen. Trotz der Zusagen bei der letzten NATO-Konferenz sind viele Staaten mit der Lieferung weiterer Luftabwehrsysteme an die Ukraine noch säumig. Dies rächt sich jetzt. Vor kurzem präsentierte General Syrski Zahlen, aus denen hervorging, dass von Februar 2022 bis Juli 2024 von den auf die Ukraine abgefeuerten knapp 9.630 russischen Marschflugkörpern und Raketen nur ca. 2.430, also knapp 25 Prozent, abgeschossen wurden. Dies erklärt die massiven Zerstörungen. Ich weise seit Monaten auf diese strategische und somit für die Ukraine existentielle Bedrohung hin. Zudem war nach den ukrainischen Erfolgen in Kursk klar, dass Russland versuchen würde, den Blick im Informationsraum wieder von Kursk abzulenken. Das sehen wir heute.

2. Wie stellt sich die militärische Situation im Donbass bei Pokrowsk dar?

Dazu muss man sich nur die Gliederung der russischen Kräfte entlang der Donbass-Front ansehen. Hier sind insgesamt sechs operative Manövergruppen im Einsatz. Hinzu kommen weitere Gruppierungen bei Charkiw und Kursk. Im Schwerpunkt im Donbass sind auf knapp 300 Kilometern Breite die drei Gruppierungen „Centr“, „Yug“ und „Vostok“ im Angriff. Mit diesen Kräften beabsichtigen die Russen, einen Durchbruch durch die zweite Verteidigungslinie, und, wenn möglich, bei Pokrowsk einen operativen Durchbruch zu schaffen. Ob dies gelingt, hängt von der Verteidigung der Ukrainer ab. Ziel der russischen Sommeroffensive ist zumindest die Inbesitznahme von Pokrowsk. Saporischschja ist ein untergeordneter Abschnitt, der jedoch möglicherweise von der Ukraine für einen zusätzlichen Ansatz genutzt wird, um den Druck im Donbass zu verringern. Darum verlegt Russland operative Reserven in den Raum, ohne jedoch ihren Ansatz im Donbass zu schwächen.

3. Kann die ukrainische Offensive tatsächlich Druck vom Donbass nehmen?

Dieses Verlegen russischer Kräfte auf operativer Ebene in Richtung Kursk ist noch nicht erkennbar. Die Russen marschieren bei Pokrowsk weiter vor, d. h. eine durch etwaige Verlegungen entstandene Schwächung des russischen Momentums ist nicht erkennbar. Syrski hat vor wenigen Wochen noch davor gewarnt, dass bis zum Ende des Jahres bis zu 690.000 russische Soldaten verfügbar sein werden. Diese Herausforderung bleibt bestehen.

Russland reagiert zwar für uns gefühlt langsam, aber doch nachhaltig. Russische Reserven sind bereits bei Kursk im Einsatz und haben die Vorstöße der Ukraine nach Norden und Osten begrenzt. Im Moment hat der Angriffsschwung der Ukraine im Raum Kursk merklich nachgelassen. Den russischen Streitkräften ist es gelungen, einen weiteren massiven Vorstoß ukrainischer Kräfte in den Norden in Richtung Kursk und in den Osten zu verhindern. Die Ukraine versucht nun, den Einbruchsraum in Richtung Westen auszuweiten, mit einem Schutz der nördlichen Flanke durch den Fluss Seim und dem Ziel, ukrainisches Territorium bei Tjotkino zu gewinnen.

4. Können die Ukrainer in der Region Kursk noch deutlich weiter vorrücken?

Nach dem Erreichen der kurzfristigen Ziele ist es nun wichtig, die mittel- und langfristigen Absichten abzusichern. Der Überraschungseffekt des Kursker-Angriffs ist vorbei, und die Ukraine versucht zwar, wo möglich, vorzustoßen, bereitet sich aber vor allem auf Gegenangriffe vor. Dabei versucht sie, günstige Geländeabschnitte, wie z. B. Flüsse, zu gewinnen. Dies bedeutet auch Vorbereitungen für eine defensive Einsatzführung, denn es gilt nun, das gewonnene Gelände so lange wie möglich zu halten. Flanken müssen gesichert und Gelände muss verstärkt werden. Einen positiven Nutzen hat die Offensive erst, wenn es gelingt, das Gelände nachhaltig zu halten und dadurch große Mengen russischer Truppen zu binden.

5. Sind die Ukrainer kampfkräftig genug, um die Gebiete dauerhaft zu halten?

Die größte Herausforderung der Ukrainer im Raum Kursk ist die Luftüberlegenheit der Russen. Gerade jetzt wäre der Moment, in dem die Ukraine F-16-Jets einsetzen könnte, um die Luftüberlegenheit zumindest lokal im Raum Kursk zu erlangen. Die russische Flugabwehr ist trotz des Einsatzes westlicher Boden-Boden-Waffen durch die Ukraine immer noch stark, und man kann damit rechnen, dass die F-16 nur bis maximal 40 Kilometer an die Front herangeführt werden können. Doch dies wäre ausreichend, da moderne Luft-Luft-Waffen bis zu 120 Kilometer weit wirken können. Die F-16 müsste also nicht bis unmittelbar an die Front heranfliegen, um beispielsweise eine der gegnerischen Su-34 zu bekämpfen, die aus sicherer Distanz Gleitbomben abwerfen.

Wenn die Ukraine sich jedoch in Kursk ohne den Schutz durch die F-16 oder mitgeführte Flugabwehr einrichtet, kann Russland – so wie es auch derzeit durchgeführt wird – das Gebiet relativ bequem aufklären, Ziele identifizieren und aus sicherer Distanz mit Gleitbomben ein Ziel nach dem anderen zerstören. Dieses Vorgehen ist täglich in russischen sozialen Netzwerken zu sehen.

6. Kann der Angriff auf Kursk militärisch nachhaltig von Nutzen sein?

Im Optimalfall würde das Momentum der russischen Sommeroffensive durch ein Abziehen von Kräften zum Erliegen gebracht werden. Diesen „Köder“ haben die russischen Streitkräfte jedoch noch nicht geschluckt. Der Angriff der Ukraine bei Kursk ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit erst der Auftakt einer Reihe von militärischen Maßnahmen, um das Momentum der russischen Sommeroffensive zu brechen. Zusammenfassend kann man es als den Versuch eines Befreiungsschlages interpretieren. Die Ukraine möchte die Initiative wieder für sich gewinnen. Die Alternative wäre, sich weiter dem Diktat eines russischen Abnutzungskrieges im Donbass zu unterwerfen. Diesen Teufelskreis möchte die Ukraine unbedingt unterbrechen.

7. Auf belarussischem Gebiet nahe der Grenze zur Ukraine werden Truppen zusammengezogen. Was bedeutet das?

Russland übt Druck auf Belarus aus, und daher agiert Belarus im Sinne Russlands. Die Aktivitäten an der ukrainischen Grenze erinnern die Ukraine daran, dass auch von diesem Nachbarn Gefahr drohen kann. Die belarussischen Streitkräfte haben begonnen, mechanisierte Einheiten aus dem Südraum von Belarus an die Grenze zu verlegen. Die Ukraine kann dies nicht einfach ignorieren und muss daher zehntausende Soldaten an der belarussischen Grenze im sogenannten Regionalkommando „Nord“ vorhalten. Was der Ukraine jedoch entgegenkommt, ist, dass der Grenzraum von weitläufigen Sumpflandschaften geprägt ist. Die Prypjatsümpfe stellen ein massives Hindernis dar. Ein etwaiger Vorstoß muss zwangsläufig über diesen Raum erfolgen.

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